MULTIPLE SKLEROSE
MS, E.d. = Encephalomyelitis disseminata, disseminierte Sklerose, Sklerosis multiplex, Polysklerose, disseminierte Hirnerweichung, sclerose en plaques, engl. multiple sclerosis, ICD-10 G35Syn:
At: Ursache unbekannt, zahlreiche Hypothesen, evtl. Kombination aller Faktoren
- Multifaktorielles neuroallergisches Autoimmungeschehen (T-zell-vermittelte Autoimmunerkrankung gegen Myelinantigene)
- Genetische Disposition (familiäre Häufung in 10 % d. F. , 15-fach höheres Erkrankungsrisiko bei Erkrankung in der nächsten Verwandtschaft) mit Überwiegen der Histokompatibilitätsantigene HLA-DR15, Dw2, A3, B7 u DR2 » genetisch bedingte Vulnerabilitat des Myelins
- Infektion nach Art einer Slow-virus-Genese (Masern, Rabies, Paramyxo)
Path: » Makroskopisch Entmarkung (= Demyelinisierung) der weißen Hirnsubstanz mit multiplen Herden, sind im gesamten ZNS fleckförmig als rötlich-graugelbe Veränderungen zu finden
° Histo: Perivenöse monozytäre Infiltration des Myelins, ausgehend von dem Vasa nervum°Schwellung, Markscheidenfragmentation u. -degeneration, Zerstörung myelinbildender Oligodendrozyten (s Abb.), i.d.R. ohne Nervenaxon- u Perikaryondestruktion => Ersatz durch Neuroglia, Sklerose = Narbe = PIaque |
Myelindegeneration und Fasergliose |
» Pathophysiologie: Durch den Myelinverlust sinkt die
Nervenleitgeschwindigkeit, dies kann in der Folge für sehr lange Nervenbahnen
(z B Fuß) auch einen kompletten Funktionsverlust bedeuten Epid:
° Inzidenz 4/100 000 pro Jahr in Deutschland |
° Auswanderung nach der Pubertät (> 15 LJ. ) => relatives Risiko des Geburtslandes an MS zu erkranken bleibt für den Probanden erhalten Auswanderung vor der Pubertät (< 15 LJ ) => Risikowahrscheinlichkeit des neuen Landes für den Probanden wird übernommen Diese Befunde wurden zur Unterstützung der Hypothese einer infektiösen Genese mit klimaassoziierten neurotropen Viren gewertet Etlg: Verlaufs formen (s Abb. )
Retrobulbarneuntis (ein- od. beidseitig, papillo-makulares Sehnervenbündel betroffen) mit Zentralskotom Farbsehschwache (insb. für rot) Augenbewegungsschmerz Augenhintergrund mit temporaler Abblassung der Papille ("der Pat sieht nichts und der Arzt sieht auch nichts") Internukleäre Ophthalmoplegie (mit Adduktionsverlangsamung eines Auges und Nystagmus am kontralateralen abduzierten Auge Läsion liegt im Bereich des Fasciculus longitudinalis med ) od. HN III-, IV- VI-Augenmuskelparesen mit Doppelbildersehen Nystagmus (bei Hirnstamm- od zerebellaren Herden) horizontal vertikal monokular öd dissoziiert und überschießende Augenbewegungen möglich, Periphlebitis retinae am peripheren Augenhintergrund
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hohes Erkrankungsrisiko für Multiple Sklerose
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=> Pyramidenbahnsymptome Schlaffe öd spastische Paresen (Para-, Hemi- od Tetraplegie, distal betont), Hyperreflexie, Kloni, Störung der Feinmotorik, pathologische Pyramidenbahnzeichen (Babinski)
=> Zerebellare Störungen Ataxie, Dysmetrie, Intentionstremor bei Zielbewegungen, Dysdiadochokinese, muskuläre Hypotonie, skandierende Sprache (schleppende, abgehackte Sprechweise)
=> Vegetative Symptome Blasen- (Blaseninkontinenz, Urge-Inkontinenz = Dranginkontinenz = imperativer Harndrang, Blasenatonie/ReflexbIase mit Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie mit erhöhtem Restharn) u Mastdarmstörungen (Inkontinentia alvi), sexuelle Störungen, erektile Impotenz
=> Psychische Störungen Dysphorische Stimmungslage, inadäquate Euphorie, Kritiklosigkeit, Depression, emotionale Labilität, psychomentale Nivellierung bis hin zur Demenz
=> Klinische Symptomenkomplexe: Jede Symptomkombination ist
möglich, im Folgenden einige typische, die in der Literatur beschrieben wurden
=> Trias v. Marburg Paraspastik + Erlöschen der Bauchhautreflexe + temporale
Papillenabblassung
=> CHARCOT-Trias Nystagmus + Intentionstremor + skandierende
Sprache in ca. 15 % d F.zu finden
=> Nackenbeugezeichen nach Lhermitte Bei Nackenbeugung '=> "Stromstoß" entlang
der Wirbelsäule mit Ausstrahlung in Arme und Beine
Trigger: Körperliche und psychische starke Belastungen, hohe Temperaturen z B heißes Bad = UTHOFF-Zeichen Verschlechterung der Symptome bei Hitze/Fieber, Besserung bei Kälte, wegen der besonderen Labilität der NLG bei beginnender Entmarkung
Diag: 1 Anamnese Nach besonderen Belastungen fragen, familiäre Disposition, frühere Schube, sonstige frühere neurologische Symptome
2 Neurologische Untersuchung Erlöschen der Bauchhautreflexe, positives Babinski-Zeichen, allgemeine Hyperreflexie der MER, Ataxie, Nystagmus, Augenfundus spiegeln: unscharf begrenzte Papille, temporale Papillenabblassung, periphere Penphlebitis retinae'?
3 LP: Klarer Liguor, Pleozytose mit Erhöhung der Leukozyten
bis 150 Zellen/mm3
(überwiegend Lymphozyten und
Plasmazellen),
Gesamteiweiß normal bis geringfügig erhöht (0,80 g/l)
Autochthone
Synthese von IgG im ZNS (reiber-Typ IV = IgG-Synthese im Liquor ohne
Nachweis im Serum u. ohne Vorliegen einer Schrankenstörung = „pathologischer
DELPECH-LlCHTBLAU-Quotient > 0 8) und positive oligoklonale Banden in
der Elektrophorese in 95 % d F (s Abb ) Die gesamten Befunde sind persistent'
4 CCT Dunkelgraue hypodense Herde, evtl. Minderung des Hirnvolumens NMR nativ (insb. T2-gewichtete Bilder) und mit Kontrastmittel (Gadolinium aktiv entzündliche MS-Herde reichern das KM in Ti-gewichteten Bildern an) ^ Herde besser sichtbar als in der CT
Allg. gilt Nachweis von mindestens 2 räumlich getrennten Entmarkungsherden erforderlich für die Diagnose (s u ) = Polytopie (insg. aber unsicheres Zeichen, da vielfältige Störungen, z B Infarkte, Entzündungen, Tumore, chron. Enzephalomyelitis bei Neuroborreliose, Leukoariosis usw. ebenfalls solche Herde vortäuschen können, s DD )
5 Evozierte Potentiale (EP): mit gutem diagnostischem
Aussagewert bei der MS
VEP Visuelle Latenz mit verzögerter Leitung u.
verminderter Amplitude Blinkreflexe (Lidschlussreflex) Latenz der Reaktion AEP
(auch BERA genannt = brainstem evoked response audiometry) Auditive
Latenz, zeigt neben Störung der Hörbahn auch Störung der Hirnstammlaufzeiten
SEP Latenz der Überleitung eines sensiblen Reizes
MEP Motorisch evozierte Potentiale => motorische Antwort auf
magnetische Stimulation
über dem Gyrus praecentralis oder dem Hirnslamm
Diagnosestellung:
- Eindeutig wenn 1 Räumliche Dissemmation (= Polytopie)
2 Charakteristischer MS-Liquorbefund
3 Mindestens 2 Schube od. progrediente Symptomatik über mind. 1 Jahr
Wahrscheinlich Wenn 2 der 3 oben genannten Kriterien zutreffen
- Fraglich Wenn nur 1 Kriterium erfüllt ist
Stadien: Bewertung der Behinderung (EDSS, expanded disability Status scale) n Kurtzke (1961)
0 = Normalbefund |
l = Geringfügige neurologische Abweichung ohne Leistungsminderung |
2 = Geringfügige Leistungsminderung mit leichten neurologischen Störungen |
3 = Mittelschwere Leistungsminderung mit leichten neurologischen Störungen |
4 = Relativ schwere Leistungsminderung |
5 = Völlige Arbeitsunfähigkeit noch max. 500m Gehstrecke |
6 = Nur nach kurze Gehstrecken mit Hilfsmitteln (Stock. Stützen) möglich |
7 = Rollstuhlpatient, alleine ein- und aussteigen noch möglich |
8 = Bettlägerigkeit selbständig Essen noch möglich |
9 = Bettlägerigkeit bei völliger Hilflosigkeit |
10 - Tod durch MS |
Ther; « (Bisher) keine kausale Therapie bekannt
• Im Schub Bettruhe anschließend Krankengymnastik1 und Bewegungstherapie (Gymnastik Laufband) bei Bedarf Blasentraining (+ a-Btockef. Anticholmergika oder Baclofen)
• Med Glukokortikoide im akuten Stadium für 4 Wochen (Prednison Decortin1 mit 100 mg/Tag beginnen, dann alle 2 - 3 Tage reduzieren und ausschleichen) oder ACTH (adre-no-corticotropes-Hormon) zur Stimulation der köpereigenen Kortisonprroduktion Keine Dauertherapie!
• Gegen Spastik: Baclofen 15-75 mg/Tag (Lioresal®), Benzodiazepine 5 - 200 mg/Tag (Diazepam, Valium* Tetrazepam MusariI®'). Dantrolen 50 - 200 mg/Tag ] (Dantamacrinn®). Memantine 10-20 mg/Tag (Ahatinol Memantin®), Tizanidin 6-12 mg/Tag (Sirdalud®),
• Teilweise nach im Versuchsstadium teilweise bereits etabliert:
- Immunsuppression: Azathioprin (Immurek®, 3 mg/kgKG). Cyclopncsphamid
(Endoxan®). Methotrexat, Mitoxantron oder Cyclosporin A (Sandimmun®), dazu immer
Magenschutz Hs-Blocker und/oder Antazida
Immunmodulaloren ß1a-Intertaron (Avonex®' 1xMoche 6 mio. l.E i.m. oder Rebif® 3xWo. 8 mio. l.E. s.c. ) oder ß1b-lntereron (Betaferon® alle 2 Tg. 8 mio.l.E. s.c. ), Ind: schubförmiger Vorlaut => verringert Anzahl. Schwere und Dauer der Schübe signifikant um ca. 1/3 sowie Verminderung der Entzündungsaktivität (im NMR nachweisbar) Komedikalion NSA/Paracetamol (Benuron®) zur Milderung der Grippe-ähnlichen Nebenwirkungen
In Erprobung: Copolymer-1 (COP-1, Glatirameracetat, Copaxone®') 20 mg täglich s.c. wirkt ähnlich wie Interferon, hat aber weniger NW Immunglobulin G i a (humanes IgG 1x/Monat 0,2 g/kgKG für 2 Jahre Polyglobin*) Plasmaseparalionstiehandlung wird hei schwersten Verlaufsformen 'vhttp://www.finanz-news.de/userabo.asp?code=tjOMncEPL3pD08quMGRB&email=gmann@t-online.deersucht, ebenso
im Versuch Immunablalion + anschließende autologe Knochenmarktransplantation
• Ernährung: Versucht wird eine fettarme Diät/Rohkostdiät (Evers-Diat), bzw
Substitution
essentieller Fettsäuren
' Eine Schwangerschaft hat nach heutigen Erkenntnissen keinen negativen Einfluss auf de Krankheitsverlauf (eher sogar schubreduzierend, nach der Schwangerschaft aber wieder ansteigend) Immunsuppressiva sollten 3 Monate vor Kinderwunsch abgesetzt werden
* Hilfsmittel je nach Behinderungsgrad z B Orthesen Rollstuhl. Lagerungskissen. Sanitäreinrichtungen
• Informationen und Selbsthilfegruppen Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft e V , Vahrenwalder Str. 205-207, 30165 Hannover, Tel (05 11) 9 68 34-0 Fax -SO, Internet: http //www.dmsg.de mit vielen weiteren Geschäftsstellen in den einzelnen Bundesländern
Prog: Abhängig von der Verlaufsform: Günstig ist en rascher Beginn, Aller < 35 LJ , Erstsymptome Sensibilitäts- oder Sehstörungen mit vollständiger Rückbildung
Ungünstig ist Alter > 40 LJ . Erstsymptome Paresen Ataxie, bleibenden neurologisch Defizite
Die mittlere Lebenserwartung betragt 25 - 30 Jahre nach Krankheitsbeginn. Letalität Nach 20 Jahren ca. 25 %. Die Hälfte der Pat. hat einen gutartigen Verlauf mit 30 J und länger
!m Durchschnitt nach 12 J gehunfähig (EDSS 7 nach17J pflegebedürftig (EDSS 8*)
Kompl: • Rezidivierende Harnweginfekte Pyelonephntiden
• Bronchitis. Bronchopneumonien bis hin zur Sepsis
• Thrombosen, Inaktivitätsosteoporose, Dekubilalutzera bei Bettlägerigkeit
• Interferontherapie Entwicklung neutralisierende Antikörper in 25 - 40 °A d F (insb. bei ßlb-INF) und lokale Hautreizung bei ßlb-lNF